New Work als Wegbereiter zukünftiger Spitzenkräfte
Lorena Wetzel | Hashtag Gesundheit e. V. | LinkedIn | Copyright: Privat
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen manifestiert sich in vielfältigen Problemen, zum Beispiel bei den Wartezeiten bei Hausärzt:innen und geschlossenen Stationen in Krankenhäusern. Eine zentrale Herausforderung stellt die Mitarbeitendenakquise dar: Die Pflegeausbildung verzeichnete beispielsweise in 2022 einen Rückgang von sieben Prozent bei den Ausbildungsverträgen. Ebenso kritisch ist die Personalbindung im Gesundheitswesen: hohe Fluktuationsraten, insbesondere bei Pflegepersonal und Ärzt:innen, sind auffällig. Darüber hinaus hat sich bei Young Professionals in den vergangenen Jahren ein neues Verständnis von Arbeit herausgebildet. Arbeit soll Sinn stiften, zur Selbstverwirklichung beitragen Flexibilität und Freude bieten. Es ist daher nicht ausreichend, lediglich mehr Personal zu gewinnen – ein effektives Personalmanagement ist entscheidend.
„Die Umfrage zeigt einen Wandel in den Wünschen und Erwartungen der Young Professionals im Vergleich zu den Vorgängergenerationen“
Arbeitgeber:innen im Gesundheitswesen sind sich dieser Herausforderungen zunehmend bewusst. Sie reagieren auf das geänderte Arbeitsverständnis, zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und betrieblichen Leistungen (Corporate Benefits). Diese Anpassungen spiegeln sich im Konzept von „New Work“ wider. „New Work“ zielt darauf ab, das psychologische Empowerment von Mitarbeitenden zu steigern. Es schafft einen Rahmen, in dem junge Fachkräfte ihr Potential ausschöpfen und sich entwickeln können.
Die entscheidende Frage ist, was Young Professionals im Arbeitskontext tatsächlich wichtig ist. Eine Umfrage von Hashtag Gesundheit e. V. hat die aufstrebende Generation zu ihren Wünschen und Erwartungen an Arbeitgeber:innen im Gesundheitswesen befragt.
Abbildung 1: Häufigkeit der als „sehr wichtig” bzw. „wichtig” angegebene Ausprägungen im beruflichen Kontext (n = 172, Angaben in Prozent) / Quelle: eigene Darstellung
Von März-Mai 2023 führte Hashtag Gesundheit e. V., vertreten durch Lorena Wetzel, Jonah Grütters, Moritz Roloff, Julian Hutschenreuther und Sebastian Paschen, eine Onlinebefragung unter Young Professionals des Gesundheitswesens durch. Die Umfrage war anonym, freiwillig und nahm circa zehn Minuten in Anspruch. Erhoben wurden soziodemographische Daten, inwiefern sich die Teilnehmenden als Young Professionals identifizieren, wie die Digitalisierung ihre Arbeit beeinflusst und welche Aspekte für sie im beruflichen Kontext wichtig sind. Auch die Wahrnehmung verschiedener betrieblicher Leistungen sowie die Einstellung zur Vier-Tage-Woche wurden erfasst. 221 Personen haben an der Befragung teilgenommen. Nach der Datenaufbereitung wurden Personen über 40 Jahre und solche, die sich nicht als Young Professional identifiziert hatten, ausgeschlossen. Schließlich konnten die Daten von 172 Teilnehmenden in die univariate Auswertung mittels Excel einbezogen werden.
Jonah Grütters | Hashtag Gesundheit e. V. | LinkedIn | Copyright: Privat
Was Young Professionals im Gesundheitswesen wirklich wichtig ist
In der Umfrage wurden 172 Personen gebeten, die Wichtigkeit verschiedener beruflicher Aspekte auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten (1=überhaupt nicht wichtig, 5=sehr wichtig). Wie Abbildung 1 zeigt, war es 93,6 Prozent der Befragten am wichtigsten, dass ihre Arbeitgeber:innen Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Entwicklung bieten (zum Beispiel Fort- und Weiterbildung). Flexible Arbeitszeiten wurden von über 85 Prozent der Befragten als (sehr) wichtig eingestuft, eine hohe finanzielle Vergütung von 78,5 Prozent und die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit von 77,9 Prozent. Weniger wichtig waren den Befragten dagegen Teamevents (39,5 Prozent) und die kulturelle Sensibilität des Arbeitgebers (34,3 Prozent).
Bei den bevorzugten Corporate Benefits standen Weiterbildungsmöglichkeiten und Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung mit 151 Nennungen an erster Stelle. Auch die Unterstützung der Mobilität, zusätzliche Urlaubstage sowie Angebote zur Gesundheitsförderung und zum Sport zählen zu den attraktiven Benefits (nicht abgebildet).
Die Einstellung zur 4-Tage-Woche der Teilnehmenden war überwiegend positiv. 78,4 Prozent der Young Professionals befürworten diese Arbeitszeitregelung sehr. Eine Minderheit von 6,4 Prozent lehnte sie hingegen ab, wie in Abbildung 2 zu sehen.
Abbildung 2: Einstellung zur 4-Tage-Woche (n = 172, Angaben in Prozent) / Quelle: eigene Darstellung
Abschließend wurde um eine Einschätzung zur Umsetzbarkeit von „New Work“-Maßnahmen im Gesundheitswesen gebeten, insbesondere im Vergleich zu anderen Branchen. Fast 70 Prozent der Befragten sehen die Umsetzung im Gesundheitswesen als schwierig an. Rund 20 Prozent enthielten sich einer Einschätzung, während knapp 13 Prozent die Umsetzung von „New Work“-Maßnahmen im Gesundheitswesen für einfacher halten als in anderen Branchen, wie dargestellt in Abbildung 3. Es ist anzumerken, dass die Gründe für diese Einschätzungen in der Umfrage nicht erfasst wurden.
Abbildung 3: Einschätzung zur Umsetzbarkeit von New Work-Maßnahmen im Gesundheitswesen, verglichen mit anderen Branchen (n = 172, Angaben in Prozent) / Quelle: eigene Darstellung
Fazit: Die Umfrage zeigt einen Wandel in den Wünschen und Erwartungen der Young Professionals im Vergleich zu den Vorgängergenerationen. Diese Ergebnisse korrespondieren mit anderen Forschungsergebnissen zur Arbeitszufriedenheit im Gesundheitswesen. Weiter zeigen die Ergebnisse, dass junge Fachkräfte nicht nur nach finanziell attraktiven Angeboten suchen, sondern Arbeitgeber:innen bevorzugen, die in ihre Zukunft investieren. Im Zeitalter von „New Work“ wird die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung zum Schlüsselfaktor. Fort- und Weiterbildungsangebote, familienfreundliche und gesundheitsfördernde Maßnahmen sowie Unterstützung bei der Mobilität sind von besonderer Relevanz. Um junge Fachkräfte im Gesundheitswesen zu gewinnen und zu halten, sollte ein berufliches Umfeld geschaffen werden, das sich an den Wünschen und Erwartungen der jungen Fachkräfte orientiert. Eine Anpassung der Arbeitskultur, die Flexibilität, digitale Kompetenz und Diversität in den Vordergrund stellt, ist daher für die Zukunft des Gesundheitswesens wichtig.
Weiterführende Literatur:
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