Pflegekraft im Homeoffice oder OP an der heimischen Konsole – ein Realitätscheck
Es ist Montagmorgen, 08:05. Du sitzt auf deinem Sofa im Wohnzimmer an deiner PlayStation mit einem Controller in der Hand. Vor dir siehst du, wie der Avatar den virtuellen OP-Saal betritt und das OP-Besteck in die Hand nimmt. Du drückst ein paar Tasten und beginnst die Operation. Um 08:52 beendest du die Operation erfolgreich, leichter Schweiß liegt auf deiner Stirn, aber du bist glücklich. Die Patientin hat alles gut überstanden und wird sich wohl erholen. Doch dies war keine Simulation oder Übung. Am anderen Ende lag ein echter Mensch und du hast soeben eine echte Operation durchgeführt, von zu Hause aus.
„Wenn sich das Selbstbild der Berufsgruppen wandelt […], dann kann ein völlig neues Verständnis für Gesundheitsberufe entstehen“
Wie weit weg sind wir eigentlich von einem solchen Szenario für Gesundheitsberufe?
In diesem kurzen Text machen wir den Realitätscheck zu Möglichkeiten und Hindernissen für die neue Arbeitswelt im Gesundheitswesen.
Im Jahr 2023 und auch in den Jahren zuvor wurde das Thema Telemedizin rauf- und runterexerziert. Der Begriff „Telepflege“ tauchte jedoch deutlich weniger in den Medien auf.
Telemedizin hat uns in der Corona-Pandemie erfolgreich ermöglicht, Krankschreibungen oder auch Konsultationen vom heimischen Sofa auszuführen. Jedoch bedeutete dies in erster Linie, dass die Patient:innen zu Hause bleiben konnten. Was ist mit Ärzt:innen oder Pflegekräften? Wird es für diese Berufsgruppen auch eine solche Möglichkeit geben?
Pflegekräfte im Homeoffice?
Beginnen wir mit dem vermeintlich unrealistischeren Szenario, der Pflegekraft im Homeoffice. Rein technisch ist dieses Szenario heute schon möglich. Geforscht wir beispielsweise im Rahmen des Pflegeinnovationszentrums in Oldenburg an einer sogenannten Telepflegezentrale, bei der eine Pflegekraft (ausgestattet mit einem Computer und einer Art Joystick) ambulant gepflegte Personen, bei denen ein Roboterarm mit Kamera zu Hause installiert wurde, betreut. Über den Roboterarm kann kommuniziert werden, leichte Hilfestellungen beim Aufstehen durchgeführt werden und – wenn notwendig – auch eine reale Pflegekraft angefordert werden, die zu der betreuten Person nach Hause kommt.
Wie realistisch ist es, dass ein solches Szenario bald auch in der Versorgungsrealität ankommt? Meiner Meinung nach ist das erst einmal noch nicht so realistisch. Die verschiedensten Datenschutzdebatten und sonstige ethische Bedenken(-träger:innen) sprechen aktuell noch dagegen. Die Zeit für so ein Modell ist noch nicht gekommen, kommt allerdings in Zukunft wahrscheinlich auf uns zu.
Dr. Tobias Krick | Gründer und Geschäftsführer Healthcare iNNK; Co-Gründer und Co-Geschäftsführer Unboxing Healthcare | LinkedIn | Copyright: Tobias Krick
Ärzt:innen im Homeoffice?
Wie sieht es denn mit den Ärzt:innen im Homeoffice aus? Das ist ein durchaus mögliches Szenario, denn auch heute schon haben Ärzt:innen die Möglichkeit, 30 Prozent ihrer Arbeitszeit pro Quartal, vergütet von der GKV, in Videokonsultationen zu verbringen (diese können theoretisch auch von zu Hause aus durchgeführt werden). Noch ist dies eher wie eine Nebentätigkeit anzusehen, denn der Mittelpunkt der ambulanten ärztlichen Tätigkeit bildet die Versorgung in der Praxis.
Zudem existieren Technologien wie der Da-Vinci-Roboter, der bereits heute Operationen aus der Ferne ermöglicht, und diese könnten theoretisch auch von zu Hause aus bedient werden. Eine Operation, die von San Franzisco aus gesteuert und in Hamburg durchgeführt wird, ist heute schon Realität und damit auch theoretisch aus dem Homeoffice möglich.
Im Wandel der Zeit
Eine entscheidende Frage, ob solche Szenarien in Zukunft Realität werden, ist das Selbstverständnis der Berufsgruppen. Wenn sich Gesundheitsberufe weiterhin (und zu guter Recht) als Interaktions- und Sorgeberufe definieren, dann wird ein vor Ort Kontakt auch weiterhin der Begegnungsraum der Wahl bleiben. Wenn sich das Selbstbild der Berufsgruppen wandelt (das liegt auch in der eigenen Hand der Berufsgruppen beziehungsweise jeweiligen Vertreter:innen auf Bundeseben), dann kann ein völlig neues Verständnis für Gesundheitsberufe entstehen und den Arbeitsalltag vollkommen revolutionieren. Wird das in den nächsten fünf Jahren passieren? Wahrscheinlich nicht. Wird es irgendwann passieren? Mit absoluter Sicherheit!
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Spannend, eine solche Vorstellung. Als Unterstützung wünschenswert und sinnvoll, aber ohne qualifiziertes Personal wird es auch in Zukunft nicht gehen. Die Gesundheitsberufe benötigen dringend eine umfangreiche Basisausbildung und Qualifizierung im Umgang mit digitalen Medien, KI, Robotik etc. Dies ist ein Muss, damit die Anwendungen in den Arbeitsalltag integriert und max. Unterstützung leisten.