Berufsweg Teleärzt:in
Ein neuer Berufsweg macht sich auf, der von Teleärzt:innen. Betreuung von Patient:innen unabhängig vom geographischen Standort, effizienteres Zeitmanagement, flexible Arbeitszeiten, reduzierte Betriebskosten, bessere Überwachung chronischer Erkrankungen, Integration smarter Medizintechnik – es spricht vieles für den Karriereweg Teleärzt:in.
Doch unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen darf eine eine Ärztin oder ein Arzt Telemedizin praktizieren?
Die Spielarten der Telemedizin
Telemedizin kann auf vielfältige Weise erfolgen: Die behandelnde Hausärt:innen rufen nach Erhalt der neusten Laborergebnisse ihre Patient:innen an, um die nächsten Behandlungsschritte zu besprechen; digitalaffine Patient:innen suchen Ärzt:innen über Arztvermittlungsportale in Onlinesprechstunden auf, um anlässlich des jüngsten grippalen Infekts eine Therapieempfehlung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten; Dermatolog:innen untersuchen via App übermittelte Fotos veränderter Hautstellen. Aber auch die zeitlich asynchrone Ärzt:innen-Patient:innen-Kommunikation über das Ausfüllen von Onlinefragebögen und Diagnosestellung nebst Rezeptausstellung und die ärztliche Überwachung von Vitalparametern aus der Ferne über sind Teil der Versorgungsrealität. Der Markt der Telemedizin wächst, nicht zuletzt aufgrund einer von Patient:innen geschätzten User Journey, von Ärzt:innen, die in flexiblere Arbeitsmodelle drängen und Gesundheitseinrichtungen, die mittels des Einsatzes von Telemedizin eine effektivere Versorgung sicherstellen können.
„Der Markt der Telemedizin wächst, nicht zuletzt aufgrund einer von Patient:innen geschätzten User Journey...“
Das Maß aller Dinge: Ist die Fernbehandlung angemessen?
Ärzt:innen dürfe eine Beratung oder Behandlung im Wege der Telemedizin unter drei Voraussetzungen durchführen:
1) Die Fernbehandlung ist ärztlich vertretbar.
2) Die Ärzt:innen wahren die erforderliche ärztliche Sorgfalt, insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation.
3) Die Patient:innen werden über die Besonderheiten der ausschließlichen Behandlung und Beratung über Kommunikationsmedien aufgeklärt.
Elisabeth Kohoutek | Rechtsanwältin, King & Spalding | LinkedIn | Copyright: Elisabeth Kohoutek
Das behandelnde ärztliche Personal muss also in jedem konkreten Fall prüfen, ob gemäß der Schilderungen der zu behandelnden Person und der gegebenfalls per Videocall oder Fotos sichtbaren Verfassung eine medizinisch fachgerechte Behandlung oder Beratung angezeigt ist. Die Beurteilung liegt hierbei in der Verantwortung der Ärztin oder des Arztes: Diese:r hat zu prüfen, ob die Fernbehandlung nach Art und Stadium der Erkrankung, der angezeigten Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, der Verfassung des oder der Patient:in, den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln und der Qualität der damit gewonnenen Informationen nach allgemeinen fachlichen Standards einen sinnvollen Beitrag zu Therapie des oder der Patient:in leisten kann.
Ist eine Behandlung im Wege der Fernbehandlung im konkreten Fall nicht angezeigt, begeht die Ärztin oder der Arzt einen Behandlungsfehler und verstößt zudem möglicherweise auch gegen die Berufsordnung. Eine Fernbehandlung, die nicht den allgemeinen fachlichen Standards entspricht, darf im Übrigen auch nicht beworben werden.
Ärzt:innen dürfen die Behandlung hierbei auch gänzlich im Wege der Fernbehandlung durchführen, es ist nicht erforderlich, dass sie ihre Patient:innen beispielsweise im Erstkontakt persönlich sehen. 1)
Ärztliche Unabhängigkeit und die Krux an der Kooperation
Und wie kommt die Patient:in nun zur Ärztin oder zum Arzt und das Rezept zur Apotheke? Patient:innenportale vermitteln Patient:innen Kontaktdaten von Ärzt:innen, an die sich Patient:innen bei Bedarf wenden können und stellen Kanäle zur Fernbehandlung bereit. Wichtig ist hierbei, dass Ärzt:innen ihre ärztliche Unabhängigkeit wahren und Patient:innen die jeweils angezeigte Therapie empfehlen. Für die Zuweisung von Patient:innen ist von den Plattformbetreibern zudem kein Entgelt oder sonstige Vorteile anzunehmen, Plattformbetreiber ist die Zurverfügungstellung von Kanälen zur Durchführung von Telemedizin gegenüber Ärzt:innen zu vergüten, und Patient:innen müssen ganz frei entscheiden können, bei welcher Apotheke sie eventuell erhaltene Rezepte einlösen wollen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Ärzt:innen Telemedizin praktizieren dürfen, sind also relativ eng gestrickt, aber ermöglichen diese. Dem Berufsweg Teleärzt:in steht also nichts im Wege. Los geht’s.
1) Gilt nicht für Brandenburg, hier ist zwingend auch ein persönlicher Kontakt erforderlich, vgl. Berufsordnung der Landesärztekammer Brandenburg, § 7 Abs. 4; abrufbar unter https://www.laekb.de/aerztin-und-arzt/arzt-und-recht/gesetze-und-satzungen.
Vielen Dank für die Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage, liebe Elisabeth Kohoutek!
Spannend finde ich Ihre Interpretation des §9 Heilmittelwerbegesetzes. Ich bin bisher davon ausgegangen, das „anerkannte fachliche Standards“ Richtlinien der entsprechenden Fachgesellschaften sein müssen.
Des weiteren hätte mich persönlich auch Ihre Sicht der Dinge in Bezug auf den Wegfall der 30%-Begrenzung und die Einführung der „Homeoffice-Regelung“ durch das DigiG interessiert.
Trotzdem ermutigen mich die aktuellen Signale und ich kann mich Ihrem tollen Appell nur anschließen: Los geht´s – die Patientinnen und Patienten werden es danken!
Herzliche Grüße aus´m Ruhrpott!