Deep Dive

Employer Branding – nicht nur reden, sondern machen

Kaum vorstellbar, dass es Führungskräfte im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren noch schwerer haben sollen, ihre Mitarbeitende zu halten beziehungsweise neue zu finden.

Heute schon bleibt eine Pflegekraft ihrem Beruf nur für etwa acht Jahre treu. PWC spricht von knapp 1,8 Millionen offener Stellen, mit denen wir 2035 rechnen müssen. Und im direkten Gespräch mit Führungskräften wird oft geschildert, wie aufwändig die Einarbeitung ist, obwohl viele Kündigungen schon in der Probezeit erfolgen. Ebenso gibt es nahezu überall Teams mit Krankheitsquoten zwischen 35 und 60 Prozent. Durch die Überbelastung entsteht für die arbeitenden Teammitglieder eine Überbelastung und ein Frust, der ebenfalls zu Krankheitsausfällen oder Fluktuation führt. Ein Hamsterrad, dass sich kaum aufhalten lässt.

„Menschen suchen nach Individualität. Sie wollen das Gefühl haben, dass es um sie persönlich geht […]

Der heilige Gral

In den vergangenen Jahren wurde mehr und mehr über gutes Employer Branding gesprochen. Etwas, das wir brauchen, um im War for Talents bestehen zu können –intern wie extern. In einigen Organisationen wurden eigene Stabstellen geschaffen und Ressourcen gebündelt, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Daraus entstanden mehr oder weniger kreative Ideen, zahlreiche Strategiepapiere und so manch einzelne Kampagne.

Unterm Strich wurde viel geredet, aber wenig umgesetzt. Und Geschwindigkeit ist heute entscheidend, wenn es um Fachkräfte geht.

Nehmen wir beispielsweise das Recruiting. Vom Eingang einer Bewerbung bis zur Bestätigung des Eingangs, hin zu einem Vorstellungsgespräch vergehen oft Wochen, manchmal sogar Monate. In Zeiten von Social Media, Amazon Prime und digitalen Downloads innerhalb von Sekunden ist das völlig unverständlich.

Ähnlich sieht es innerhalb der Belegschaft aus, wenn man sich allein die Einarbeitung in der Probezeit anschaut. Onboarding-Leitfäden werden nicht konsequent umgesetzt, es finden in den wenigsten Fällenwöchentliche Feedbackrunden statt. Plötzlich dann die große Überraschung, wenn die Kündigung in der Probezeit auf dem Tisch liegt.

Und überall dem steht eine austauschbare Marke. Eine Arbeitgebermarke, die völlig vergleichbar zu allen anderen Krankenhäusern und Gesundheitsorganisationen steht. In quasi jedem Leitbild dreht sich alles um die Patient:innen und um gute Versorgungsqualität. Achtung: Das ist das, was sowieso erwartet wird und was einfach nur wiedergibt, was eine solche Einrichtung tut. Auch Werte sind oft austauschbar und vergleichbar. Wie soll man da als Kandidat:in im Bewerbungsprozess wissen, welche Einrichtung wirklich die richtige ist? Wie soll sich da jemand – ähnlich wie beim Dating – matchen und verlieben?

Also ja, Employer Branding ist der heilige Gral. Wenn man weiß, wie man ihn richtig benutzt.

 

Mut zu Ecken und Kanten

Bei den Tausenden Kommunikationsimpulsen, die täglich auf uns einprasseln, ist es wichtig, dass die Marke im Kopf bleibt. Das kann nur gelingen, wenn bei der Umsetzung drei Kriterien erfüllt werden: sichtbar an den richtigen Stellen, markant in der Darstellung und relevant in den Botschaften.

Tanja Heiß | Geschäftsführerin ID-Native | LinkedIn | Copyright: ID-Native

Die meisten Employer Brands sind extern nur da sichtbar, wo sich alle Arbeitgeber tummeln. Auf ihrer Website, in den einschlägigen Stellenportalen, auf ihrer Facebook- und Instagram-Seite sowie in ein paar Printveröffentlichungen. Und intern gibt es grob zusammengefasst ein Intranet, ein Leitbild an der Wand, eine Weihnachtsfeier und ein Sommerfest. Menschen suchen nach Individualität. Sie wollen das Gefühl haben, dass es um sie persönlich geht und sie nicht Teil einer Kampagne oder einer Schublade sind. Stattdessen kann die Führungskraft einfach mal selbst Bewerber:innen direkt über LinkedIn oder auf einer Veranstaltung ansprechen. Und intern braucht es einen Maßnahmenplan, der regelmäßige Feedbackrunden und Teammomente vorsieht. Parallel geht es um die kleinen Momente. Eine handgeschriebene Karte zu Weihnachten ist da schon mal ein guter Anfang. Einfach mal machen. Ausprobieren, was gut funktioniert und vor allem: dranbleiben.

Markant zu sein in der Darstellung bedeutet, dass die Marke nicht vergleichbar und austauschbar sein sollte. Das muss sich im Alltag wiederfinden. Angenommen, es existiert eine unverwechselbare Arbeitgebermarke mit einem außergewöhnlichen Leitbild und besonderen Werten. Dann müssen von oben nach untern immer wieder Führungskräfte und Mitarbeitende damit in Berührung gebracht werden. Wenn „Agilität“ als Wert verankert werden soll, dann müssen Führungskräfte Vorbilder sein, die agil denken und handeln und sich nicht hinter einem Papierberg und ihrem Faxgerät verstecken. Auch brauchen Mitarbeitende Leitplanken, in denen sie interne Einblicke nach Außen tragen dürfen. Corporate Influencer und Markenbotschafter:innen sind notwendig, um eine authentische Employer Brand zu schaffen.

Die Employer Brand wird meist an alle gleich kommuniziert. Aber adressatengerechte Kommunikation ist die Basis, damit Botschaften für ihre Empfänger:innen relevant werden. Wir müssen aufhören mit allen Mitarbeitenden und Bewerber:innen in der gleichen Art und Weise zu sprechen und sie immer mit den gleichen Maßnahmen in Berührung zu bringen. Auch hier geht es um Individualität. Ein Fehler ist es hier die Generationenschublade aufzumachen. Zwischen „jung und alt“ beziehungsweise zwischen „erfahren und unerfahren“ zu unterscheiden, ist ein großer Fehler. Stattdessen ist es wichtig, die Menschen genau zu beobachten und auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu achten. Wenn beispielsweise intern aufgrund von strukturellen Veränderungen Unsicherheiten bestehen, kann man nicht mit einer Chacka-Chacka-Stimmung auf das Team zugehen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Kulturwandel braucht häufig zwei bis drei Jahre, wenn man ihn konsequent durchzieht. Und ebenso gilt das für neue Mitarbeitende, die diese Zeit brauchen, um sich vollständig mit einer Organisation zu identifizieren. Diese Zeit sollten wir uns dringend nehmen.


Weiterführende Literaur:

PwC Deutschland (2022) Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitswesen 2022. Abgerufen von: LINK

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