Kolumne

Lohmanns Konzept: Heute: Pflege braucht kein Mitleid, aber mehr Sozialprestige

Neulich war es mal wieder so weit. Nach einem Diskussionsabend in einem Hamburger Traditionshotel hatte ich, auf Grund akuten Mangels an Taxen in der Hansestadt, eine mir unbekannte Dame eingeladen, in dem vorbestellten Wagen mitzufahren, weil wir fast dasselbe Fahrziel hatten. Nachdem sie in unserem kurzen Gespräch feststellte, dass ich beruflich „mit Krankenhäusern“ zu tun habe, äußerte sie ihre erst kürzlich wieder in einem Fernsehbericht bestätigte Überzeugung, Krankenschwestern liefen in Scharen wegen der miserablen Bezahlung davon. Mein Einwand, wir hätten noch nie so viele Pflegekräfte in Deutschland beschäftigt wie heute und deren Gehalt sei höher als das des Durchschnittsarbeitnehmers, quittierte sie mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck. In der kurzen Zeit bis zum Ende unserer gemeinsamen Fahrt ist es mir erkennbar nicht gelungen, die Dame umzustimmen.

"Neue Verantwortlichkeiten in der Pflege erfordern auch ein Umdenken in anderen medizinischen Berufen."

Nicht nur in meinem Taxidialog, sondern auch in der öffentlichen Diskussion ergibt sich heute ein weitgehend negatives Bild der Pflege. Pflegende sind zwar ungemein beliebt. Sie rangieren bei entsprechenden Umfragen weit oben auf der Skala. Das Krankenhausmanagement hingegen ist äußerst unbeliebt. Genau umgekehrt ist die Einstufung beim Sozialen Status. Krankenhausmanagerinnen und -manager stehen weit oben im Ranking, Pflegekräfte weit unten. Wenn wir diese Sicht auf die Pflege ändern wollen, was wir sollten, müssen wir eine Neubewertung erreichen. Das kann nur über eine Strukturierung der Pflegetätigkeiten gelingen, weil der Soziale Status einer Berufsgruppe ganz wesentlich auf deren Entscheidungsbefugnissen beruht. Nach dem Grundsatz „Pflege ist nicht gleich Pflege“ müssen daher auf der Basis realistischer Bedarfsprofile differenzierte Arbeitsplatzbeschreibungen erstellt werden.

Prof. Heinz Lohmann | Geschäftsführer LOHMANN konzept GmbH | LinkedIn | Copyright: Lohmann konzept / Falk von Traubenberg

Der Bogen reicht von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten bis zu fachpflegerischen Leistungen. Die mehrstufige Qualifikationsstruktur ermöglicht den Einsatz unterschiedlich qualifizierter Pflegekräfte. Es braucht ein Bildungskonzept, das die differenzierten Qualifikationen vermittelt. Ausdifferenzierte Kompetenzen sind die Voraussetzung für unterschiedliche Entscheidungsbefugnisse. Die Schaffung einer solchen Pflegestruktur ist Aufgabe der Verantwortlichen in der Pflege selbst.

 

Neue Verantwortlichkeiten in der Pflege erfordern auch ein Umdenken in anderen medizinischen Berufen, insbesondere in der Ärzteschaft. Eine gute Medizin ist heute eine Gemeinschaftsleistung. Die inhaltliche Entscheidungsbefugnis muss deshalb funktional auf die Berufsgruppe übertragen werden, die die größte fachliche Kompetenz mitbringt. Mit der Neuordnung werden Realität und Organisationsstruktur wieder in Einklang gebracht. Zudem steigt der Soziale Status der Pflege. Die Pflegekräfte können ihrerseits auf diese Weise bitternotwendiges Sozialprestige und damit die Wertschätzung erlangen, die von ihnen immer wieder eingefordert wird.

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