Deep Dive Serie

Digitalisierung als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie

Mit der Digitalisierung geht es hierzulande langsam voran. Um das Gesundheitswesen nachhaltig zu gestalten, bedarf es einer beschleunigten Digitalisierung dort, wo es Sinn ergibt, Anreize für Umweltschutz und weiterer politischen Weichenstellungen in diesem Jahr.

Es ist bekannt, dass Deutschland bei der Digitalisierung international betrachtet ein Nachzügler ist. Beim Glasfaser-Ausbau der privaten Haushalte belegt man zum Beispiel nur den 34. Platz. In der Bertelsmann-Studie zur Digitalisierung des Gesundheitswesens in der EU wird Deutschland auf dem zweitletzten Platz geführt.

Ähnlich sieht es im Gesundheitswesen aus. Beispielsweise bei den niedergelassenen Ärzt*innen ist das Fax oft immer noch das bevorzugte Kommunikationsmittel. Das schafft Medienbrüche, da es wieder digitalisiert werden muss, ist unsicher und verbraucht Unmengen Papier. Die Krankeschreibungen Deutschlands aus den letzten vier Jahren aneinandergereiht reichen von der Erde bis zum Mond. Diese Art von Ressourcenverschwendung hat seit dem 1. Januar 2023 mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ihr Ende.

 

Patient Krankenhaus

Die Krankenhäuser sind der größte Kostenfaktor im Gesundheitswesen und auch die Einrichtung mit dem höchsten Energieverbrauch. Als Ziel sollte die Transformation hin zu „Green Hospitals“ festgeschrieben werden, also zu Krankenhäusern, die sich aktiv für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen – dafür sollte diese mit monetären Anreizen attraktiv gestaltet werden. Viele Krankenhausimmobilien sind marode und energetisch katastrophal aufgestellt. Prof. Kunibert Lennertz vom Karlsruher Institut für Technologie ermöglicht es den Krankenhäusern, sich mit einer konsequenten Wettbewerbsanalyse bei Energie, Müll und Flächenverbrauch zu messen. Gleichzeitig kann das Potential für die Nutzung von Sonnenenergie digital bestimmt werden.

Die Fallpauschalen, auch als DRGs bezeichnet, haben zu Fehlanreizen geführt und in manchen Bereichen, beispielsweise bei der Wirbelsäulenchirurgie oder bei Kernspintomographen, die besonders finanziell lukrativ sind, zu einer Überversorgung. Hier explodiert die Zahl der Eingriffe, es kommt durch angebotsinduzierte Nachfrage zu einer Überversorgung. Die Vermeidung von medizinisch nicht zwingend notwendigen Eingriffen ist auch Teil eines nachhaltigen Gesundheitswesens.

 

Digitalisieren, wo es Sinn ergibt

Das größte Potential bietet jedoch die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das gilt sowohl für Leistungserbringer*innen als auch für Kostenträger. Von Berlin aus wird aktuell die Digitalisierung der Prozesse bundesweit in den Gesundheitsämtern vorangetrieben. Die Pandemie hat schonungslos offengelegt, wie veraltet die Strukturen hier sind. Weitere Institutionen müssen folgen. Dabei ist die Digitalisierung kein Selbstzweck. Es geht auch nicht darum, jeden Prozess zu digitalisieren, den man digitalisieren kann. Denn die reale Begegnung von Mensch zu Mensch, beispielsweise von Patient*in und Therapeut*in, kann digital nicht gleichwertig ersetzt werden. Das Potential für sinnvolle Maßnahmen sehen Expertinnen und Experten bei ca. 20-30 Prozent der Arztbesuche.

Prof. Dr. Volker Nürnberg | Partner BearingPoint | LinkedIn | Copyright: Hofmann / Frankfurt

 

Aber durch das Ersetzen von analogen Prozessen kann die Zahl der Fehler minimiert werden. Prozesse können vereinfacht und beschleunigt werden. Und es werden natürlich Ressourcen gespart. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat der vorangegangene Gesundheitsminister die Grundlagen für einen Innovationsschub gelegt. Die meisten Einrichtungen haben Bedarfe angemeldet. Nun muss ein zweiter Finanzierungsblock folgen, denn aus dem Betriebsergebnis können die Häuser – etwa die Hälfte macht Verluste – die Modernisierung nicht vorantreiben. Es fehlt aber insbesondere auch an IT-Personal in den Krankenhäusern. Der Fachkräftemangel schreitet voran. Und ein Haus im Korsett des öffentlichen Dienstes ist im Vergleich zu den privaten, attraktiven IT-Unternehmen nicht konkurrenzfähig.

 

Weichenstellung in diesem Jahr

Besondere Bedeutung kommt 2023 der Kommission zur Reform der Krankenhauslandschaft zu. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach tat gut daran, die Länder frühzeitig miteinzubeziehen. Über die komplexe Krankenhausfinanzierung und den länderindividuellen Krankenhausbedarfsplan verfügen sie über ein gutes Steuerungsinstrument. Neben dem Abbau von Überkapazitäten, die in bestimmten Ballungsräumen tatsächlich vorhanden sind, muss es um eine Qualitätssteigerung gehen. Hier ist in vielen Disziplinen noch viel Luft nach oben. Auf Basis evidenzbasierter Medizin müssen Vergütung, Fallzahlen und Behandlungsergebnisse der Häuser betrachtet und in einem komplexen Verfahren ins Verhältnis zueinander gebracht werden.

2023 will das Gesundheitsministerium ein großes Digitalisierungsgesetz vorlegen, und das ist auch bitter nötig. Jens Spahn hat hier ordentlich vorgelegt. Er hat mit DiGA und DiPA – digitalen Anwendungen – sowie E-Rezepten wichtige Anstöße gegeben. Mit dem KHZG hat er die Krankenhäuser bei der Digitalisierung unter Handlungsdruck gesetzt. Die großen Digitalisierungsvorhaben sind in der Vergangenheit gescheitert oder nur mit sehr großer Verzögerung ins Laufen gekommen. Der jetzige „Corona-Minister“ muss nun beweisen, dass er ein Gesundheitsminister ist!

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